Ein Versuch: Geschichtsphilosophie und Kritik der politischen Ökonomie

Aus die gegenwart begreifen
Version vom 15. Oktober 2024, 09:58 Uhr von Stephan (Diskussion | Beiträge)

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                                                            "Der Kommunismus ist für uns nicht ein Zustand, der hergestellt werden soll, 
                                                             ein Ideal, wonach die Wirklichkeit sich zu richten haben wird. Wir nennen 
                                                             Kommunismus die wirkliche Bewegung, weche den jetzigen Zustand aufhebt."
                                                                                Karl Marx und Friedrich Engels, Die deutsche Ideologie    


Nach den letzten Wahlen war das Entsetzen groß. Auch wenn es vorherzusehen war: Viele – darunter auch ich – fragten sich, wie es in Deutschland zu solchen Wahlergebnissen kommen konnte. Nicht nur, dass die AFD die stärkste bzw. zweitstärkste Kraft wurde; sie erreichte auch vergleichbare – und mitunter sogar mehr – Zustimmung im Bereich der Arbeiter und der Jugendlichen. Das ist zunächst schockierend. Aber wenn man einige Tage hinter sich hat, wenn man die erste Schockwelle überstanden hat, dann kommt man zu folgender Frage: Warum haben gerade diese Menschen, an die wir Linken (im weitesten Sinne, wenn ich so sprechen darf) uns doch wenden wollen, die AFD gewählt? Und weiter: Warum geht die Ablehnung der gegenwärtigen Entwicklung der Gesellschaft, die vom Monopolkapitalismus bestimmt ist, nach rechts und nicht nach links?

Diese Menschen lehnen den gegenwärtigen Zustand der Gesellschaft ab. Sie glauben nicht, dass die gegenwärtig gesellschaftlich wirksamen Tendenzen zu einer Verbesserung der Lage führen werden. Im Gegenteil: Sie meinen wohl, es müsse etwas anderes – vielleicht etwas ganz anderes – her. Diese Menschen würden sich im Charakter der AFD täuschen. Es mag auch ein Teil der Wähler dieser Partei denken, dass ein autoritäres Regime die einzige Möglichkeit sei, den – vorausgesetzten und/oder prophezeiten – weiteren Niedergang unserer Gesellschaft zu verhindern. Aber das ist zumindest nicht die Auffassung aller Wähler der AFD, wenn man den Wahlforschern glauben darf. Viele wollen einfach „eine andere Politik“ – wie das so schön heißt. Aber das ist leichter gesagt als getan, denn: Eine andere Politik ist unbestimmt. Welche andere Politik soll es sein? Wohin soll die Reise gehen? Und ist überhaupt die Politik das Problem? Wie soll die Zukunft aussehen?

Und da – das ist die traurige Wahrheit – sind die Linken im weitesten Sinne, also unter Einschluss der SPD, der Grünen und der linken Parteien und Bewegungen, blank. Sie haben nach meiner Einschätzung keine – und schon gar keine gemeinsame – Vorstellung davon, wie die Zukunft aussehen soll und wie das, von dem sie nicht wissen, wie es aussehen soll, erreicht werden kann. Es fehlt eine Vorstellung vom weiteren Verlauf der Geschichte. Dadurch gerät man unwillkürlich in eine Rolle der Verteidigung der – schlechten – Gegenwart. Es fehlt – sagt der Philosoph in mir – die Geschichtsphilosophie.

Daraus ergibt sich dann der folgende – vielleicht einleuchtende – Schluss:

Wenn man 1. die Gegenwart im Prinzip ablehnt und in ihr auch keine Entwicklungstendenzen zum besseren erwartet oder erkennen kann, und wenn 2. die im weitesten Sinne linken Kräfte keine – und schon gar keine gemeinsame – Vorstellung von der Zukunft haben, dann halten sich viele an die Rechten – an eine schöngeträumte Vergangenheit. Es ist die berühmte neoliberale Alternativlosigkeit, zu der die Menschen eine Alternative suchen, zu der die Linken aber keine vorstellbare Alternative anzubieten scheinen.

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