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Aktuelle Version vom 2. Mai 2020, 13:00 Uhr
Die "ökologische Krise" hat mit dem Klimawandel eine neue Qualität erreicht, die es deutlich sichtbar macht, dass der Ausdruck "ökologische Krise" den Blick auf das eigentliche Verhältnis verstellt. Die Menschheit (im Unterschied zu den Menschen) lebt nicht in einer "Umwelt", sondern in der Natur. Ist das nicht bloße Wortklauberei? Das denke ich nicht. Denn in der ersten Hälfte des 20. Jahrhunderts wurden große Anstrengungen unternommen, um den Begriff der Natur beiseite zu schieben. Diese Anstrengungen wären nicht notwendig gewesen, hätte es sich um bloße Wortklauberei gehandelt. Der Begriff der "Umwelt" ist immer relativ zu einem "System". Er ist die Umgebung des Systems, in einem räumlichen (allerdings beschränkten) Sinne das, was nicht das System ist. Ein Beispiel: Wenn im Ruhrgebiet die Luft zu schlecht, weil die vielen Abgase der Kohle- und Stahlindustrie nicht mehr zu bewältigen sind, dann baut man Schlote. Die Abgase werden in die "weite Welt" zerstreut und man merkt sie nicht mehr. Das ist klassisch "Umweltpolitik". Eine solche "Umweltpolitik" betreiben wir auch heute noch reichlich. Sie ist auch durchaus zu unterstützen, aber sie reicht nicht mehr aus. Eigentlich hätte schon das Waldsterben darauf aufmerksam machen können, das eine solche Verschiebung von Belastungen nicht "zielführend" ist. Aber spätestens seit der Diskussion über den Klimawandel ist klar: Es geht nicht mehr an, dass wir die Belastungen anderswo hinschieben. Denn letztlich gibt es kein "anderswo". An die Stelle der "Umwelt" tritt die "Natur" als ein Gesamtzusammenhang, der als "Dialektik der Natur" schon diskutiert wurde, und gegen den sich der Begriff der "Umwelt" gerichtet und keineswegs problemlos durchgesetzt hat.
Ob der frühe Lukacs oder Sartre, ob Heidegger oder Adorno, darin herrschte Anfang des zwanzigsten Jahrhunderts eine merkwürdige Einigkeit, dass der Begriff der Natur durch den der "Umwelt" zu überwinden sei. Denn die Naturwissenschaft erfordere diesen "Fortschritt", eine Erkenntnis, die sich erst der Entdeckung des Mikrokosmos und des Makrokosmos verdanke. Die Naturwissenschaft habe überdies ihre großen Durchbrüche der empirischen Beobachtung zu verdanken. Die Grundlage der wissenschaftlichen Begriffsbildung müsse daher die Beobachtung sein. Ein Gesamtzusammenhang aber lasse sich empirisch nicht beobachten. Ein solcher Begriff, und damit auch der Begriff der Natur als Totalität sei also bestenfalls "sinnlos", schlimmstenfalls Bestandteil der Rechtfertigung einer Diktatur durch säkularisierte Heilslehren. Im Übrigen immunisiere sich, wer einen Totalitätsbegriff für möglich hält, eben dadurch gegen jede mögliche Kritik. Denn ein Totalitätsbegriff erlaubt es - ja er zwingt dazu - Widersprechendes gleichzeitig zu denken. Und das kann nicht wissenschaftlich sein...
Es ist deswegen die Frage: Braucht man die "Dialektik der Natur", um das zu verstehen, was wir "ökologische Krise nennen, und um dagegen angemessen vorzugehen, oder vergisst man das am besten, weil es sich um eine "marxistische Schrulle" handelt? Und von welchem Punkt der Argumentation an braucht man sie, wenn man sie braucht. Ich bin der Meinung: Man braucht die Theorie von der Natur als einem Gesamtzusammenhang, die "Dialektik der Natur", um die "ökologische Krise" angemessen zu verstehen und auch, um die angemessenen Antworten auf sie zu entwickeln.
Man braucht den Begriff des Gesamtzusammenhanges nicht, um die Wirkungen der "ökologischen Krise" zu beschreiben. Allerdings wird man durch die Vermeidung dieses Begriffs auf einen sprachlich merkwürdigen Weg geführt. Es ist nämlich oft vom sogenannten "Umweltschutz" die Rede. Damit wird angedeutet, dass wir die "Umwelt" schützen müssten. Das geschieht auch in bestimmten, unbestreitbar wichtigen Projekten. Aber dennoch führt diese Beschreibung auf einen schiefen Pfad. Es geht ja beim Klimawandel nicht darum, die Umwelt zu schützen, sondern unsere Biosphäre als solche zu erhalten, d.h. als unsere Lebensbedingung zu erhalten. Nicht unsere Umwelt schützen wir, sondern unsere - der Menschheit - Lebensmöglichkeiten in einer für unser Leben zuträglichen Natur, oder wenn man unbedingt will, "Umwelt". Es geht also um unser Leben und Überleben als Menschheit, und nicht um den Schutz einer uns umgebenden Weit oder gar bloß unserer Umgebung überhaupt. Ebenso unangemessen in der Begriff des "Naturschutzes". Wir schützen nicht die Natur, sondern unsere natürlichen Lebensvoraussetzungen, auf die wir für unser Überleben angewiesen sind. Wir schützen - hoffentlich erfolgreich - uns selbst. Aber für diese Überlegung braucht man den Begriff von der Natur als Gesamtzusammenhang, die "Dialektik der Natur", noch nicht.