"Funktioniert" eine Gesellschaft?
Diese Erkenntnisse des Einzelnen ignoriert von Hayek und fährt mit der Überlegung der Unkenntnis des Menschen fort: „Diese unvermeidliche Unkenntnis des Menschen von einem Großteil dessen, worauf das Funktionieren der Zivilisation beruht, hat wenig Aufmerksamkeit gefunden.“ Eben noch zeigte von Hayek, dass die Zivilisation damit beginnt, dass „der Einzelne“ das gesellschaftliche Wissen „verwertet“. Nun springt er zurück zur Behauptung von der unvermeidlichen Unkenntnis des Menschen, worauf die Zivilisation beruht. (Kurze Zwischenfrage: Ist von Hayek kein Mensch?) Die Erkenntnis von der Unkenntnis habe wenig Aufmerksamkeit gefunden. Zunächst stellt sich die Frage: „Funktioniert“ eine Zivilisation? Ist eine Zivilisation ein technischer Gegenstand, wie es die Formulierung „funktionieren“ nahelegt? Zweifellos, wenn man sie sich so vorstellt wie von Hayek – also so dass der Einzelne fremdes Wissen verwertet. Die Philosophen, auf die von Hayek nun zu sprechen kommt, stellen sich die Zivilisation nicht als ein technisches Gerät vor, das funktioniert, sondern als ein Produkt einer geschichtlichen Entwicklung, das eben nicht bloß „funktioniert“, sondern wesentlich andere Existenzgründe hat als technische. Von Hayek fährt fort: „Philosophen und Sozialforscher sind meistens darüber hinweggegangen und behandelten diese Unwissenheit als eine kleine Unvollkommenheit, die mehr oder weniger außer Acht gelassen werden kann.“ Es scheint, dass von Hayek mehrere Philosophen hier so behandelt, als ob sie außer Acht gelassen werden könnten. Sind Philosophen über die Unkenntnis, wie die Zivilisation „funktioniert“, hinweggegangen? Ja, insofern die meisten Philosophen nicht davon ausgegangen sind, dass die Gesellschaft „funktioniert“. Nein, wenn es um die Grenzen des Wissens um die gesellschaftliche Entwicklung geht. Da ist es bei der Mehrheit der Philosophen (für die Sozialwissenschaftler kann ich nicht sprechen) so, dass sie sich mit dieser Unwissenheit auseinandergesetzt haben. Sie haben Theorien vorgelegt, wie die Gesellschaft zu denken ist und was wir darüber wissen können und was nicht. Allerdings unterscheiden sie sich von Herrn von Hayek in einer bestimmten Hinsicht: Sie beschäftigen sich nicht mit dem Unwissen an sich, sondern mit der Bestimmung der Grenzen des Wissens. Darauf werde ich noch zurückkommen. Und sie betrachten die Gesellschaft nicht als etwas, das „funktioniert“, sondern als etwas, was unter dem Gesichtspunkt des „Funktionierens“ nicht zu erfassen ist.