Zum Wahlerfolg der AFD

Aus die gegenwart begreifen
Version vom 6. September 2019, 17:00 Uhr von Stephan (Diskussion | Beiträge)

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Wie kann man mit den herben Verlusten der Partei „Die Linke“ umgehen? Wie mit den beängstigenden Gewinnen der AFD? Man kann das nutzen, um als Fraktion in der Partei „Die Linke“ über andere Fraktionen herzufallen und zu behaupten, dass man sich nur nach der eigenen habe richten müssen, um diese Niederlage zu verhindern. Man kann auch als Linker, der nicht (mehr) in der Partei „Die Linke“ ist oder schon immer woanders organisiert war, den mahnenden Zeigefinger erheben, um mitzuteilen, dass man immer schon die halbherzige Haltung der Partei „Die Linke“ zu diesem oder jenem Thema kritisiert habe. Das geht auch, wenn man ein „freischwebender Linker“ ist, der noch gar nicht organisiert war. Oder man kann eine „Neuaufstellung“ der Partei „Die Linke“ entweder fordern oder ankündigen. Aber nutzt das was? Die Antwort fast aller, die sich daran beteiligen, ist: Eher nicht. Der Trend scheint einfach gegen uns Linke zu sein, gegen die Partei „Die Linke“, gegen linke Gruppen und Ideologien. Der Trend geht nach rechts und er dauert nun schon länger an.

Es handelt sich um eine geschichtliche Entwicklung. Die ist für Linke schwer zu verstehen, weil sie sich gegen die Linke zu richten scheint. Nach jahrelanger berechtigter Klage über. den Neoliberalismus kommt jetzt der sogenannte „Rechtspopulismus“ dazu. Unter solchen Begriffen kann man sich verständigen, wenn man politisch zugunsten der Linken im Allgemeinen und der Partei „Die Linke“ im Besonderen eingreifen will. So berechtigt diese Klagen sind, sie verdecken einen wesentlichen Gesichtspunkt: Die Linke hat keine überzeugende Antwort auf die Frage, wie die geschichtliche Entwicklung verläuft und warum, was ihr Inhalt ist, wie sie anders verlaufen könnte Die Linke hat keine überzeugende Orientierung für die Zukunft.

Nehmen wir ein Beispiel: Das sehr verdienstvolle Buch „Rechtspopulismus und Gewerkschaften“ enthält sehr viel gutes Material über die Ausbreitung des „Rechtspopulismus“ in den Betrieben. Es ist in jeder Hinsicht instruktiv und empfehlenswert, was die qualitative soziologische Aufbereitung des Themas betrifft. Deswegen ist es unbedingt lesenswert. Diesem sehr aufschlussreichen Material steht ein ernüchternder Mangel an theoretischen Überlegungen gegenüber. Das stört den unvoreingenommenen Leser empfindlich. Nehmen wir ein Beispiel. Der erste Satz des offiziellen Textes lautet: „Der Beginn des 21. Jahrhunderts wird als „Jahrzehnt der Entsicherung und Richtungslosigkeit“ charakterisiert.“ Die Autoren berufen sich auf Heitmeyer, der offenbar im Bielefelder Institut für Konflikt- und Gewaltforschung arbeitet. Dieser These wird im Verlauf des Buches nicht widersprochen. Man darf also davon ausgehen, dass sich die Autoren dieser These anschließen. Im weiteren Verlauf des Buches wird immer wieder erwähnt, dass die Kolleginnen und Kollegen, die den Rechten auf den Leim gehen, Zukunftsangst hätten und verunsichert seien.

Nun frage ich mich als Leser: Wenn ich mich in einem Jahrzehnt der Entsicherung und der Richtungslosigkeit mich befinde, habe ich dann nicht allen Grund, Zukunftsangst zu haben? Ist das nicht genau die richtige Reaktion? Der Leser soll das nicht denken. Aber warum nicht? Das erfährt man nicht so recht. Die Antwort der Menschen, die sich von dieser Angst leiten lassen, besteht offenbar darin, AFD zu wählen. Wenn die Linken nun behaupten, dass wir in einem Jahrzehnt der „Richtungslosigkeit“ leben, dann bestätigen sie die Zukunftsangst und damit Berechtigung der Menschen, AFD zu wählen. Man könnte diesem „Sich von der Angst leiten lassen“ auch widersprechen. Dann müsste man eine Richtung der geschichtlichen Entwicklung in der Gegenwart ausmachen. Aber davon ist in diesem Buch nicht die Rede. Im Gegenteil: Wir leben in einem Jahrzehnt der Richtungslosigkeit.

"Rechtspopulismus"